In diesem Haus eröffnete 1868 der Verein der Berliner Volksküchen, gegründet von Lina Morgenstern, die auch „Suppenlina“ genannt wurde, eine Volksküche. Arme Menschen konnten hier gesunde und preisgünstige Nahrungsmittel bekommen.
Lina Morgenstern (*1830 †1909), Sozial- und Frauenaktivistin, Schriftstellerin und Publizistin, wurde 1830 geboren und wuchs in einer reformiert-jüdischen Familie auf. Sie wies zeitlebens auf soziale und materielle Not von Frauen und Familien hin.
Vor dem Krieg mit Österreich 1866 war es in Preußen zu massiven Preissteigerungen und sozialer Not gekommen. Daraufhin entwickelte Lina Morgenstern den Plan, Volksküchen einzurichten, in denen gesunde Speisen zubereitet und zum Selbstkostenpreis abgegeben werden sollten. Die erste Volksküche wurde 1866 eröffnet. Zehn über ganz Berlin verteilte Volksküchen verpflegten täglich bis zu 10.000 Personen. Im Gegensatz zur früheren Armenspeisung waren die Mahlzeiten schmackhaft und gesund und wurden nicht verschenkt, sondern zum Selbstkostenpreis abgegeben. Für die Angestellten der Volksküchen gründete Lina Morgenstern eine Krankenversicherung.
Sie setzte sich für sozialen Fortschritt, Bildung und Frauenrechte ein und gründet dazu mehrere Vereine. Sie hinterließ ein umfangreiches schriftstellerisches Werk, darunter mehrere Bände mit Porträts bedeutender Frauen.
Ein Beispiel für die Kraft gelebter Solidarität
Lina Morgenstern war außerdem Mitbegründerin des Vereins zur Beförderung der Fröbelschen Kindergärten und bewirkte zwischen 1861 bis 1868 die Eröffnung von acht Kindergärten und einer Bildungsanstalt für Kindergärtnerinnen. Kindergärten waren in Preußen seit 1851 verboten gewesen, weil sie „destruktiver Tendenzen“ verdächtigt wurden.
Im Krieg 1870/71 übernahm Lina Morgenstern die Verpflegung durchreisender Truppen und die Versorgung Verwundeter. Diese Erfahrung brachte sie dazu, eine kritische Position zur herrschenden Kriegsbegeisterung einzunehmen und sie wurde Mitglied im Vorstand der Deutschen Friedensgesellschaft.
1896 war sie eine der Organisatorinnen des ersten „Internationalen Kongresses für Frauenwerke und Frauenbestrebungen” in Berlin, an dem führende Frauenrechtlerinnen Europas und Amerikas teilnahmen.
Lina Morgenstern gab mit ihrem Leben ein Beispiel für die Kraft gelebter Solidarität.
Zur Reflexion: Welche Bedeutung hat der Zugang zu gesunder und bezahlbarer Nahrung für den internationalen Frieden?